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Dieser Text wurde im September 2017 in der Versorgern #115 veröffentlicht.


DIGITAL PHYSICS

Information und das Wissen hatten in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit immer die zentrale Position. Für das STWST INFOLAB 2017 schreibt Franz Xaver.


Die Stadtwerkstatt reagierte immer zeitnah auf Entwicklungen in ihrem kulturellen Umfeld. Im Augenblick sind durch die maschinelle Informationsverarbeitung immer schlechtere Bedingungen für kreative Arbeit und Kunst festzustellen. Deshalb ist es an der Zeit, sich mit der Rolle der Information in unserer Gesellschaft zu beschäftigen, um hier Lösungsvorschläge zu liefern. Es ist anzumerken, dass dieser Text rund um die verschiedensten Blickwickel auf die Informationstechnologie (IT) im künstlerischen Kontext zu betrachten ist und persönliche Ansichten des Autors wiedergibt.

Was ist Information? – Wie wird sie definiert?
* Die Analyse von Information entwickelte sich vor über 150 Jahren aus der Thermodynamik. Die chaotische Verteilung von Gasteilchen in einem geschlossenen Raum definierte das Gegenteil von Information – die Entropie.
* Man braucht mehrere Parameter, über die sich Information bilden kann - eine gebrochene Symmetrie, in der etwas gleich, aber nicht dasselbe ist, und ein Referenzsystem über diese Erkenntnis.
* Information ist das Gegenteil von Chaos (negEntropie).
* Information verliert ihre Bedeutung, wenn sie beim Empfänger angekommen ist.
* Information braucht eine zeitliche Komponente.
* Information ist endlos kopierbar - es gibt kein Original.
* Durch die Speicherung von Information kann Wissen entstehen.

Die Evolution und die Information
Die Evolution brachte uns die Speicherung von Information in der Erbmasse. Aus der Natur entstand der Mensch als ein Wesen, das selbst Technologie entwickelte, um die Information, wie sie im vorigen Absatz definiert wurde, maschinell zu verarbeiten. Hier werden die Gefahren durch die aktuelle IT nicht in einem gesamtheitlichen Kontext gesehen. Das Leben auf unserem Planeten nutzt Information, um sich weiterzuentwickeln. Es lohnt sich, diese gewohnte Perspektive zu verlassen und die Evolution als Ergebnis von sich entwickelnder Information zu betrachten. Dadurch wird der alleinige Motor unseres Universums die Information.
Die Informationsentwicklung in der Natur bringt zum Glück auch einige Anomalien, die uns helfen, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. Dies sind beispielsweise die Pilze. Das Mycelium als Kommunikationsnetzwerk in Beziehungsfeldern zwischen tausenden von Geschlechtern. Mit künstlerischen Projekten forschten wir 2017 während unseres Artists-in-Residence-Programms auf dem Messschiff Eleonore.
Bei unserem jährlichen Festival Stwst48x3 zeigen wir von 7. - 9. September ein 24 Stunden langes Videoprogramm, bei dem Vorträge und Dokumentationen zum Thema „Information“, „Digital Physics“ und „Mycelium Networking“ zu sehen sind. Unter anderem kann man dort erfahren, warum eine Leberkässemmel mehr Information besitzt als ein 1000seitiges Buch.

Videoprogramm „Digital Physics“ 48×3 Mindless:

Idalism, Digital Physics, and Christian Neoplatonism Loma Linda University 12 27 2014
Rebooting the Cosmos Is the Universe the Ultimate Computer
2017 Isaac Asimov Memorial Debate De-Extinction
Theoretical Physicist Finds Computer Code in String Theory
Digital Physics Meets Idealism: The Mental Universe
Idealism, Philosophy of Mind, and Digital Physics -Reasonable Faith, -UN-Kearney
Quantum Physics Debunks Materialism
Heisenberg's Uncertainty Principle - Single Slit, Hydrogen Atom & Bose-Einstein Condensates
What is Information? (1) Reality as Information - Is there Intrinsic Meaning? Sentient Life & Bits
Tom Campbell: Our Reality Is Information
The Quantum World of Digital Physics: Can a Virtual Reality be Real?
What is Consciousness? - Three Stages of Consciousness | Michio Kaku
Digital Physics Argument for God's Existence
John Archibald Wheeler's crazy ideas for a crazy world [video]
Re-thinking a Wheeler delayed choice gedanken experiment, by Jeffrey H. Boyd MD
Vlatko Vedral: Everything is information
Vlatko Vedral - Decoding Reality
Easy Explanation of Quantum Theory - Documentary [1]
Quantum Theory Made Easy [2]
The Universe Inside The Brain - Ahmed Hulusi
[HD] These 38 Minutes Will Blow Your Mind! (Quantum + Fractal Science)
The ALL is MIND; the Universe is Mental
What Is Time? (better audio) Determinism, Quantum Physics, Consciousness, Free Will, Causality…
The Illusion of Time, Quantum Theory – Documentary
Free Will, Randomness & Non-Locality - What is Individual Freedom in an Interconnected Universe?
Leonard Susskind on The World As Hologram
Prof. Harald Lesch: Was ist Entropie?
Vom Rand der Erkenntnis | Harald Lesch
Kosmologisch (3/3) • Vom Stein zum Leben • Live im Hörsaal | Harald Lesch
32C3 - Quantenphysik und Kosmologie
Out-of body experiences, consciousness, and cognitive neuroprosthetics: Olaf Blanke at TEDxCHUV
What if the universe was created just for you? | Assiye Süer | TEDxGöteborg
NOTHING: The Science of Emptiness
THE PHYSICS OF INFORMATION: FROM ENTANGLEMENT TO BLACK HOLES
Lawrence M. Krauss 2017 - „Universe from NOTHING!“ [FULL]
Quantum Fields: The Real Building Blocks of the Universe - with David Tong
Is Anything Real?
What Is Reality?

Videoprogramm „Mycelium Network“ 48×3 Mindless:
Paul Stamets on How Mushrooms Can Save Us from Ourselves
Paul Stamets: Psilocybin Mushrooms & The Mycology of Consciousness
Radical Mycology Webinar 1: Seeing Fungi
Radical Mycology Webinar 2: Working With Fungi
Spore Rain (mushrooms reproduction)
AMAZING NATURE - Fungi - Hongos HD 4K
Stunning timelapse of bioluminescant mushrooms!
Fungi Timelapse Compilation 01
Mold Time Lapse
Beautiful Rare Mushrooms - Fungi plant growth

Es geht um die Erhaltung unseres kreativen Arbeitsumfeldes - ein historischer Ausflug.

Wir nannten es Medienkunst. Es war ein Kunstwort, um gesamtheitliches Arbeiten mit verschiedensten Materialien zu beschreiben. Es waren die 80iger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als dieser Begriff sehr oft verwendet wurde. Die wilden 60iger und 70iger Jahre wollten in der bildenden Kunst nicht richtig greifen. Warhol, Beuys u.v.a. brachen zwar die verhärteten Strukturen des klassischen Kunstkontextes auf, aber die Künstler (meist wirklich nur männliche) standen noch immer als Superhelden im Zentrum eines Kunstmarktes. Die Triebfeder der Medienkunst war die Angst vor dem Stillstand und der Rückfall in den klassisch verstaubten Kunstkontext. Dynamik, Veränderung und Bewegung war der Ausgangspunkt, um mit künstlerischem Arbeiten neue Utopien zu beschreiben. Alles wurde zum Arbeitsmaterial und die Maschinen brachten diese dynamischen Voraussetzungen mit. Maschinenkunst wurde deshalb zum zentralen Element der Medienkunst. Es waren auch die elektronischen Geräte, mit denen man leicht dynamische Bilder in statische Aufbauten integrieren konnte. In Folge waren es vor allem die digitalen Maschinen mit ihren Möglichkeiten, Ereignisse in einen anderen Zeitkontext zu verschieben. Zeit- und Raumtransformationen brachten damit viele neue Perspektiven. Viele dieser elektronischen Bildmaschinen wurden aber auch im Film eingesetzt und wurden dort als Videokunst bezeichnet.

Der/Die KünstlerIn als LaborantIn im Experimentierfeld des Lebens wurde also in der Medienkunst selbst zur/m AkteurIn und zum Teil der Arbeit. Kunst kam nicht mehr vom Können, sondern vom Nicht-Können, vom Lernen und auch vom Scheitern. Die Arbeitsräume waren Labore und nicht mehr Ateliers. Es waren digitale Systeme, die sich über Informationsaustausch vernetzten und dadurch sogar kurzfristig dezentrales Handeln ermöglichten. Es waren aber auch diese Systeme, die sich mit ihren digitalen Schichten vor unerlaubten Manipulationen zu schützen begannen. Der/Die KünstlerIn wurde ausgeschlossen, verlor den Zugriff auf die unteren Schichten und dadurch auch die Kontrolle über das Arbeitsmaterial. Durch diese Schichtentechnologie funktionierten aber diese Systeme einwandfrei und auch spartenübergreifend. Das System begann sich dezentral zu organisieren, sammelte Information und klassifizierte diese über Algorithmen. Die Kunst wurde damit wieder schön geordnet, in Genres eingeteilt, und die Medienkunst war obsolet.

Das Infolab der STWST
Den KünstlerInnen, die weiter alle Materialien und Handlungen in Projekte mit einbeziehen wollten, blieb nichts anderes über, als den maschinellen Umgang mit Information von außen zu betrachten und somit isoliert in Laboratorien zu arbeiten. Im aufkommenden Informationsnetz entwickelten sich aber neue Personengruppen, die sich aktiv mit der IT befassten. Diese organisierten sich in den Hacklabs (Hackerlabore) und Fablabs (Bastellabore). Das Erkennungsmerkmal dieser technologischen Biotope war die Handlungsfreiheit, Zweckfreiheit oder auch die Sinnfreiheit (Mindless), die man dort vorfand. Diese Freiheiten ermöglichten viele neue Ideen, begleitet durch unglaubliche Utopien. Die Personen, die in diesen Laboratorien arbeiteten, wollten nicht mehr im Kunstkontext stehen und finanzierten sich deshalb über Mitgliedsbeiträge. Die MedienkünstlerInnen hatten es zuvor einfach nicht geschafft, die Themen der IT und damit auch die TechnikerInnen mit in ihre Arbeit einzubeziehen. Ein paar Jahre zuvor arbeitete noch jede/r MedienkünstlerIn mit einer/m TechnikerIn zusammen. Diese emanzipierten sich nun über diese neuen Labs. In der Kunst gab es zwar auch nach wie vor Laboratorien statt den Ateliers, jedoch wurden diese schnell durch die Verwendung von proprietärer Software von Konzernen abhängig und verloren somit ihre Zweckfreiheit.

Ein weiterer Ansatz war die Natur als neues Arbeitsmaterial. Es entstanden die Biolabs. In manchen dieser Biolabs versuchten jedoch Laien mit dem Argument der künstlerischen Freiheit die Natur „kreativ“ um-zu-gestalten. Dieser Ansatz ist strikt abzulehnen.

Die Natur im Verhältnis zur Kunst ist wichtigstes Arbeitsfeld. Es geht darum, Natur zu beobachten und zu versuchen, diese Erkenntnis dem Künstlichen (Kunst) gegenüber zu stellen. Wenn man die Information nun tatsächlich in Verbindung mit der Evolution stellt, dann wird im Moment durch die IT massiv in die Informationsentwicklung der Natur eingegriffen. Die IT fördert eine einseitige Informationsentwicklung. Sie fördert Informationen, mit denen der Mensch einen Wissensvorsprung generiert und daraus nur einen kurzfristigen Vorteil hat. Wissen und Information werden zum Beiwerk einer Vermehrung des Kapitals.
Andere wichtige Formen der natürlichen Informationsverarbeitung werden durch die IT komplett vernachlässigt bzw. ignoriert. Dies sind Informationsformen ohne rationalen Nutzen. Die Traumwelten der Menschen, die ein ausgeglichenes Bewusstsein schaffen oder auch die Kunst, über die wir neue Blickwinkel bekommen und Utopien generieren können.
Aus dem Wunsch nach einem gesamtheitlichen Diskurs um die Entwicklung der Information und ihrer Technologie entstand in Wien die Gruppe „Technopolitics“ und 2013 in Linz das Infolab der STWST.
Das Infolab der STWST sieht in der Entwicklung der Informationsverarbeitung eine andere Gefahr für die humanoide Spezies. Unsere Welt wird mit fortschreitender Entwicklung der IT immer „kleiner“. Ereignisse werden über einen Algorithmus immer weiter in einen globalen Zusammenhang gestellt. Über diese Erkenntnis entsteht eine zweite, rational wahre, digitale Welt, in der jedes Ereignis in einem nur oberflächlich rationalen Bezug steht. Die Welt wird kausaler und die Entropie wird dadurch kleiner. Es wird alles scheinbar logischer, nachvollziehbarer und verständlicher. Wenn wir als Individuen aber weiter in dieser Welt agieren wollen, dann sollten wir unseren freien Willen schützen. Dieser freie Wille ist vom Zufall abhängig, und der Zufall steht in direktem Zusammenhang mit der Entropie. In einer deterministischen Welt, die uns von den Algorithmen errechnet wird, kann es keinen freien Willen mehr geben.
Aber da gibt’s aus einer anderen Ecke der Naturwissenschaften einen neuen Funken der Utopie. Parallel zur Informationstheorie entwickelte sich vor 100 Jahren die Quantentheorie. Und je öfter diese überprüft wird, desto mehr wird sie zur Gewissheit - unsere Realität ist nur die Oberfläche eines anderen Zustands. Man weiß zwar nicht, was hinter all den Dingen steht, aber man weiß, dass die Wahrnehmung unseres Umfelds nur ein Übereinkommen zwischen den BetrachterInnen ist. Es gibt dadurch keine eindeutige Wahrheit oder Realität. Den Wunsch nach Erkenntnis hatte anscheinend auch Einstein, als er seine KollegInnen fragte, ob denn der Mond nicht da sei, wenn keiner hinsieht? Es ist an der Zeit, dass unsere Naturgesetze einen neuen Bezugspunkt bekommen.

Also, es kommen turbulente Zeiten auf uns zu, und das in exponentiellem Tempo. Also bitte – Der Videoclub: Take a drink, take a seat, fasten seat belts and watch the movies. All das ist zu sehen im Filmclub des Infolabs im servus Clubraum im ersten Stock der STWST, Kirchengasse 4, 4040 Linz.