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 Die Stadtwerkstatt reagierte immer zeitnah auf Entwicklungen in ihrem kulturellen Umfeld. Im Augenblick sind durch die maschinelle Informationsverarbeitung immer schlechtere Bedingungen für kreative Arbeit und Kunst festzustellen. Deshalb ist es an der Zeit, sich mit der Rolle der Information in unserer Gesellschaft zu beschäftigen, um hier Lösungsvorschläge zu liefern. Es ist anzumerken, dass dieser Text rund um die verschiedensten Blickwickel auf die Informationstechnologie (IT) im künstlerischen Kontext zu betrachten ist und persönliche Ansichten des Autors wiedergibt. Die Stadtwerkstatt reagierte immer zeitnah auf Entwicklungen in ihrem kulturellen Umfeld. Im Augenblick sind durch die maschinelle Informationsverarbeitung immer schlechtere Bedingungen für kreative Arbeit und Kunst festzustellen. Deshalb ist es an der Zeit, sich mit der Rolle der Information in unserer Gesellschaft zu beschäftigen, um hier Lösungsvorschläge zu liefern. Es ist anzumerken, dass dieser Text rund um die verschiedensten Blickwickel auf die Informationstechnologie (IT) im künstlerischen Kontext zu betrachten ist und persönliche Ansichten des Autors wiedergibt.
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 **Was ist Information? – Wie wird sie definiert?** **Was ist Information? – Wie wird sie definiert?**
 * Die Analyse von Information entwickelte sich vor über 150 Jahren aus der Thermodynamik. Die chaotische Verteilung von Gasteilchen in einem geschlossenen Raum definierte das Gegenteil von Information – die Entropie. * Die Analyse von Information entwickelte sich vor über 150 Jahren aus der Thermodynamik. Die chaotische Verteilung von Gasteilchen in einem geschlossenen Raum definierte das Gegenteil von Information – die Entropie.
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 * Information ist endlos kopierbar - es gibt kein Original. * Information ist endlos kopierbar - es gibt kein Original.
 * Durch die Speicherung von Information kann Wissen entstehen. * Durch die Speicherung von Information kann Wissen entstehen.
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 **Die Evolution und die Information** **Die Evolution und die Information**
 Die Evolution brachte uns die Speicherung von Information in der Erbmasse. Aus der Natur entstand der Mensch als ein Wesen, das selbst Technologie entwickelte, um die Information, wie sie im vorigen Absatz definiert wurde, maschinell zu verarbeiten. Hier werden die Gefahren durch die aktuelle IT nicht in einem gesamtheitlichen Kontext gesehen. Das Leben auf unserem Planeten nutzt Information, um sich weiterzuentwickeln. Es lohnt sich, diese gewohnte Perspektive zu verlassen und die Evolution als Ergebnis von sich entwickelnder Information zu betrachten. Dadurch wird der alleinige Motor unseres Universums die Information. Die Evolution brachte uns die Speicherung von Information in der Erbmasse. Aus der Natur entstand der Mensch als ein Wesen, das selbst Technologie entwickelte, um die Information, wie sie im vorigen Absatz definiert wurde, maschinell zu verarbeiten. Hier werden die Gefahren durch die aktuelle IT nicht in einem gesamtheitlichen Kontext gesehen. Das Leben auf unserem Planeten nutzt Information, um sich weiterzuentwickeln. Es lohnt sich, diese gewohnte Perspektive zu verlassen und die Evolution als Ergebnis von sich entwickelnder Information zu betrachten. Dadurch wird der alleinige Motor unseres Universums die Information.
 Die Informationsentwicklung in der Natur bringt zum Glück auch einige Anomalien, die uns helfen, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. Dies sind beispielsweise die Pilze. Das Mycelium als Kommunikationsnetzwerk in Beziehungsfeldern zwischen tausenden von Geschlechtern. Mit künstlerischen Projekten forschten wir 2017 während unseres Artists-in-Residence-Programms auf dem Messschiff Eleonore. Die Informationsentwicklung in der Natur bringt zum Glück auch einige Anomalien, die uns helfen, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. Dies sind beispielsweise die Pilze. Das Mycelium als Kommunikationsnetzwerk in Beziehungsfeldern zwischen tausenden von Geschlechtern. Mit künstlerischen Projekten forschten wir 2017 während unseres Artists-in-Residence-Programms auf dem Messschiff Eleonore.
 Bei unserem jährlichen Festival Stwst48x3 zeigen wir von 7. - 9. September ein 24 Stunden langes Videoprogramm, bei dem Vorträge und Dokumentationen zum Thema „Information“, „Digital Physics“ und „Mycelium Networking“ zu sehen sind. Unter anderem kann man dort erfahren, warum eine Leberkässemmel mehr Information besitzt als ein 1000seitiges Buch. Bei unserem jährlichen Festival Stwst48x3 zeigen wir von 7. - 9. September ein 24 Stunden langes Videoprogramm, bei dem Vorträge und Dokumentationen zum Thema „Information“, „Digital Physics“ und „Mycelium Networking“ zu sehen sind. Unter anderem kann man dort erfahren, warum eine Leberkässemmel mehr Information besitzt als ein 1000seitiges Buch.
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 **Videoprogramm „Digital Physics“ 48x3 Mindless:** **Videoprogramm „Digital Physics“ 48x3 Mindless:**
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 Is Anything Real? Is Anything Real?
 What Is Reality? What Is Reality?
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 **Videoprogramm „Mycelium Network“ 48x3 Mindless:** **Videoprogramm „Mycelium Network“ 48x3 Mindless:**
 Paul Stamets on How Mushrooms Can Save Us from Ourselves Paul Stamets on How Mushrooms Can Save Us from Ourselves
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 Beautiful Rare Mushrooms - Fungi plant growth Beautiful Rare Mushrooms - Fungi plant growth
  
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 **Es geht um die Erhaltung unseres kreativen Arbeitsumfeldes - ein historischer Ausflug.** **Es geht um die Erhaltung unseres kreativen Arbeitsumfeldes - ein historischer Ausflug.**
  
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 Der/Die KünstlerIn als LaborantIn im Experimentierfeld des Lebens wurde also in der Medienkunst selbst zur/m AkteurIn und zum Teil der Arbeit. Kunst kam nicht mehr vom Können, sondern vom Nicht-Können, vom Lernen und auch vom Scheitern. Die Arbeitsräume waren Labore und nicht mehr Ateliers. Es waren digitale Systeme, die sich über Informationsaustausch vernetzten und dadurch sogar kurzfristig dezentrales Handeln ermöglichten. Es waren aber auch diese Systeme, die sich mit ihren digitalen Schichten vor unerlaubten Manipulationen zu schützen begannen. Der/Die KünstlerIn wurde ausgeschlossen, verlor den Zugriff auf die unteren Schichten und dadurch auch die Kontrolle über das Arbeitsmaterial. Durch diese Schichtentechnologie funktionierten aber diese Systeme einwandfrei und auch spartenübergreifend. Das System begann sich dezentral zu organisieren, sammelte Information und klassifizierte diese über Algorithmen. Die Kunst wurde damit wieder schön geordnet, in Genres eingeteilt, und die Medienkunst war obsolet. Der/Die KünstlerIn als LaborantIn im Experimentierfeld des Lebens wurde also in der Medienkunst selbst zur/m AkteurIn und zum Teil der Arbeit. Kunst kam nicht mehr vom Können, sondern vom Nicht-Können, vom Lernen und auch vom Scheitern. Die Arbeitsräume waren Labore und nicht mehr Ateliers. Es waren digitale Systeme, die sich über Informationsaustausch vernetzten und dadurch sogar kurzfristig dezentrales Handeln ermöglichten. Es waren aber auch diese Systeme, die sich mit ihren digitalen Schichten vor unerlaubten Manipulationen zu schützen begannen. Der/Die KünstlerIn wurde ausgeschlossen, verlor den Zugriff auf die unteren Schichten und dadurch auch die Kontrolle über das Arbeitsmaterial. Durch diese Schichtentechnologie funktionierten aber diese Systeme einwandfrei und auch spartenübergreifend. Das System begann sich dezentral zu organisieren, sammelte Information und klassifizierte diese über Algorithmen. Die Kunst wurde damit wieder schön geordnet, in Genres eingeteilt, und die Medienkunst war obsolet.
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 **Das Infolab der STWST** **Das Infolab der STWST**
 Den KünstlerInnen, die weiter alle Materialien und Handlungen in Projekte mit einbeziehen wollten, blieb nichts anderes über, als den maschinellen Umgang mit Information von außen zu betrachten und somit isoliert in Laboratorien zu arbeiten. Im aufkommenden Informationsnetz entwickelten sich aber neue Personengruppen, die sich aktiv mit der IT befassten. Diese organisierten sich in den Hacklabs (Hackerlabore) und Fablabs (Bastellabore). Das Erkennungsmerkmal dieser technologischen Biotope war die Handlungsfreiheit, Zweckfreiheit oder auch die Sinnfreiheit (Mindless), die man dort vorfand. Diese Freiheiten ermöglichten viele neue Ideen, begleitet durch unglaubliche Utopien. Die Personen, die in diesen Laboratorien arbeiteten, wollten nicht mehr im Kunstkontext stehen und finanzierten sich deshalb über Mitgliedsbeiträge. Die MedienkünstlerInnen hatten es zuvor einfach nicht geschafft, die Themen der IT und damit auch die TechnikerInnen mit in ihre Arbeit einzubeziehen. Ein paar Jahre zuvor arbeitete noch jede/r MedienkünstlerIn mit einer/m TechnikerIn zusammen. Diese emanzipierten sich nun über diese neuen Labs. In der Kunst gab es zwar auch nach wie vor Laboratorien statt den Ateliers, jedoch wurden diese schnell durch die Verwendung von proprietärer Software von Konzernen abhängig und verloren somit ihre Zweckfreiheit. Den KünstlerInnen, die weiter alle Materialien und Handlungen in Projekte mit einbeziehen wollten, blieb nichts anderes über, als den maschinellen Umgang mit Information von außen zu betrachten und somit isoliert in Laboratorien zu arbeiten. Im aufkommenden Informationsnetz entwickelten sich aber neue Personengruppen, die sich aktiv mit der IT befassten. Diese organisierten sich in den Hacklabs (Hackerlabore) und Fablabs (Bastellabore). Das Erkennungsmerkmal dieser technologischen Biotope war die Handlungsfreiheit, Zweckfreiheit oder auch die Sinnfreiheit (Mindless), die man dort vorfand. Diese Freiheiten ermöglichten viele neue Ideen, begleitet durch unglaubliche Utopien. Die Personen, die in diesen Laboratorien arbeiteten, wollten nicht mehr im Kunstkontext stehen und finanzierten sich deshalb über Mitgliedsbeiträge. Die MedienkünstlerInnen hatten es zuvor einfach nicht geschafft, die Themen der IT und damit auch die TechnikerInnen mit in ihre Arbeit einzubeziehen. Ein paar Jahre zuvor arbeitete noch jede/r MedienkünstlerIn mit einer/m TechnikerIn zusammen. Diese emanzipierten sich nun über diese neuen Labs. In der Kunst gab es zwar auch nach wie vor Laboratorien statt den Ateliers, jedoch wurden diese schnell durch die Verwendung von proprietärer Software von Konzernen abhängig und verloren somit ihre Zweckfreiheit.
  
 Ein weiterer Ansatz war die Natur als neues Arbeitsmaterial. Es entstanden die Biolabs. In manchen dieser Biolabs versuchten jedoch Laien mit dem Argument der künstlerischen Freiheit die Natur „kreativ“ um-zu-gestalten. Dieser Ansatz ist strikt abzulehnen. Ein weiterer Ansatz war die Natur als neues Arbeitsmaterial. Es entstanden die Biolabs. In manchen dieser Biolabs versuchten jedoch Laien mit dem Argument der künstlerischen Freiheit die Natur „kreativ“ um-zu-gestalten. Dieser Ansatz ist strikt abzulehnen.
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 **Die Natur im Verhältnis zur Kunst ist wichtigstes Arbeitsfeld.** Es geht darum, Natur zu beobachten und zu versuchen, diese Erkenntnis dem Künstlichen (Kunst) gegenüber zu stellen. Wenn man die Information nun tatsächlich in Verbindung mit der Evolution stellt, dann wird im Moment durch die IT massiv in die Informationsentwicklung der Natur eingegriffen. Die IT fördert eine einseitige Informationsentwicklung. Sie fördert Informationen, mit denen der Mensch einen Wissensvorsprung generiert und daraus nur einen kurzfristigen Vorteil hat. Wissen und Information werden zum Beiwerk einer Vermehrung des Kapitals. **Die Natur im Verhältnis zur Kunst ist wichtigstes Arbeitsfeld.** Es geht darum, Natur zu beobachten und zu versuchen, diese Erkenntnis dem Künstlichen (Kunst) gegenüber zu stellen. Wenn man die Information nun tatsächlich in Verbindung mit der Evolution stellt, dann wird im Moment durch die IT massiv in die Informationsentwicklung der Natur eingegriffen. Die IT fördert eine einseitige Informationsentwicklung. Sie fördert Informationen, mit denen der Mensch einen Wissensvorsprung generiert und daraus nur einen kurzfristigen Vorteil hat. Wissen und Information werden zum Beiwerk einer Vermehrung des Kapitals.
 Andere wichtige Formen der natürlichen Informationsverarbeitung werden durch die IT komplett vernachlässigt bzw. ignoriert. Dies sind Informationsformen ohne rationalen Nutzen. Die Traumwelten der Menschen, die ein ausgeglichenes Bewusstsein schaffen oder auch die Kunst, über die wir neue Blickwinkel bekommen und Utopien generieren können. Andere wichtige Formen der natürlichen Informationsverarbeitung werden durch die IT komplett vernachlässigt bzw. ignoriert. Dies sind Informationsformen ohne rationalen Nutzen. Die Traumwelten der Menschen, die ein ausgeglichenes Bewusstsein schaffen oder auch die Kunst, über die wir neue Blickwinkel bekommen und Utopien generieren können.